HALLÖGGELI…

Mein Name ist Struchen Günter, ich bin eidg. dipl. Meeresbiologe und Islamwissenschaftler und schreibe frtami gerne

Briefe?!

die insgesamt ein bitzeli kuurlige Fragen beinhalten.

So sehe ich meistens aus:

Das ist mein neustes Buch:

Und das mein Smartspider...

Transparenz ist mir wichtig

Das ist Alexandra Treskman, sie hat das Buch «Himu Hämu, Lüthi Sämu!» illustriert und mit-herausgegeben:

Das ist der neuste Krimi.

Das bin auch ich, aber aus einem anderen Winkel betrachtet.

Zu meinen Brieffreundinnen zählen auch Bundesrät*innen…

Hier seht ihr mich mit einer Lupe

Fotos: Tabea Reusser

INTERVIEW

Die Fragen stellte Godi Chummer

Herr Struchen, wer sind Sie?


Nun, allem voran bin ich überzeugt davon, dass ich bereits morgen nicht mehr der sein werde, der ich heute bin.

Einverstanden. Aber wer sind Sie heute, hier und jetzt?


In exakt präzis genau diesem Moment bin ich ein vrtami leidenschaftlicher Lebendiger.

Können Sie das näher erläutern?


Aber gerne. Ich denke, dass Leben und Tod nur zwei Extreme sind. Weil sie sich mit unserem Wahrnehmungsapparat besonders gut voneinander abgrenzen lassen, gehen wir fälschlicherweise davon aus, dass es die einzigen beiden Realitäten sind. Tatsächlich erstreckt sich zwischen ihnen aber ein Kontinuum. Ich habe das Gefühl, dass ich mich auf diesem Kontinuum momentan sehr weit weg von der Leiche befinde. Ich lebe leidenschaftlich gerne. Manchmal erwache ich mitten in der Nacht, weil ich es kaum erwarten kann, wieder bewusst zu existieren.

Sie wirken tatsächlich sehr lebensfroh. Waren Sie ein glückliches Kind?


Ich war in erster Linie ein seltsames Kind. Mir fiel es schwer zu akzeptieren, dass die Welt so ist, wie sie sich mir präsentierte. Es gab eine Zeit, da drehte ich mich immer wieder überraschend um, weil ich die Welt beim Nicht-Existieren erwischen wollte. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass alle anderen Menschen ebenso denken und fühlen konnten, wie ich es tat. Für mich war die Welt ein Puppenspiel und ich der einzige Zuschauer, um den alle anderen Puppen tanzten. Die entscheidende Frage war, wer die Fäden in Händen hielt. Und mit welcher Absicht.

Das klingt nicht nach einer unbeschwerten Kindheit.


Doch, doch… Zwar habe ich vermutlich vergleichsweise viel nachgedacht, aber ich konnte schon damals gut abschalten. Mein Grind hielt sich an die verordneten Timeouts und plagte mich nicht, wenn ich es nicht wollte. Deshalb schlief ich auch immer ordentlich. Und darum war ich letztlich wohl auch durchaus ein glückliches Kind, das in einem Moment über die Herkunft des Bösen sinnieren konnte; nur um Sekunden später Seifenpläterli-blasend und Schmetterlinge jagend durch Blumenwiesen zu rennen.

Aber es dürfte für Sie schwierig gewesen sein, Freunde zu finden?


Nein, nicht wirklich. Eine weitere Charaktereigenschaft von mir, die ich bis heute beibehalten habe ist, dass ich sehr anpassungsfähig… ach, nennen wir’s beim Namen… sehr verlogen bin. Die Zweifel, die kritischen Gedanken, die ehrliche Meinung diskutierte ich meist ausschliesslich mit mir selber aus. Mir war schon relativ früh bewusst, dass die Lüge ein wichtiges Fundament menschlicher Gesellschaften ist. Menschen, die ständig ihre Überzeugungen kund tun, sind unmögliche Cheiben. Wer eine einigermassen überzeugende Rolle spielt hingegen, findet leicht Freunde.

Sie wurden offensichtlich nicht religiös erzogen…


Sie meinen, weil Lügen im religiösen Kontext als Sünde gilt?

Genau…


Mit Gott war das so eine Sache. Ich wurde zwar religiös erzogen, aber es fiel mir ausgesprochen schwer, all den Berichten Glauben zu schenken, die mir zu Ohren kamen und die nicht selten widersprüchlich waren. Eines Tages, ich war wohl etwa fünf oder sechs Jahre alt, da beschloss ich, Gott eine faire Chance zu geben. Ich fertigte eine Zeichnung an, versteckte sie hinter einem Schrank, schloss meine Augen und sprach: «Wenn du wirklich existierst, Gott, so entferne die Zeichnung hinter dem Schrank. Ich zähle jetzt von zehn runter.» Als ich nachsah, befand sich meine Zeichnung immer noch am gleichen Ort und damit war die Sache für mich gegessen.

Sie fanden also nicht zu Gott, aber dafür zur Philosophie?


Kinder müssen nicht erst zur Philosophie finden. Die Kindheit ist eine Phase, in der wir von Neugierde angetrieben werden. Je neugieriger eine Person veranlagt ist, desto häufiger philosophiert sie. Kinder sind von Natur aus Philosophen, sobald das Bewusstsein in ihnen erwacht. Erwachsene können diesen Trieb zum Teil unterdrücken, aber gänzlich gelingt das niemandem. Eine andere Sache ist es aber zu lernen, wie man mit philosophischen Fragen umgeht. Dies erfordert ein Studium der Philosophie und damit meine ich nicht ein institutionalisiertes Studium, sondern einfach Phasen hartnäckiger und gründlicher Denkarbeit.

Sie schlugen jedenfalls kein Philosophiestudium ein, sondern wurden Meeresbiologe.


Dass ich Meeresbiologe wurde, kann als Unfall bezeichnet werden. Ich war fasziniert von den Naturwissenschaften, hätte mir aber gerade so gut auch vorstellen können, Physik, Astronomie oder Geologie zu studieren. Irgendwie rutschte ich aber in die Biologie und der Begriff «Meeresbiologie» wirkte anziehend auf mich. Und er tut es noch heute.

Waren Sie jemals in der Meeresbiologisterei tätig?


Das sagt man nicht so.

Waren Sie jemals als Meeresbiologe tätig?


Ja, unmittelbar nach dem Doktorat untersuchte ich die Sterilität von Bachforellenmännchen in den Gebirgsflüssen des Berner Oberlandes. Das Projekt wurde aber nach nur zwei Monaten eingestellt.

Warum?


Wir fanden keine.

Weshalb übten Sie danach nie wieder Ihren gelernten Beruf aus?


Das Hauptproblem war, dass der tatsächliche Berufsalltag mit meinen Vorstellungen des Berufes konfligierte. Ich wollte auf den Galapagos-Inseln mit Delfinen und Wasserschildkröten schwimmen. Bezüglich der Sterilität von Bachforellenmännchen war ich eher meinungsneutral.

Dann wurden Sie Briefeschreiber?


Es ist kompliziert.

Sie möchten nicht darüber sprechen?


Ich möchte nicht, dass Sie dann darüber sprechen.

Mir sind verschieden Erklärungen zu Ohren gekommen, wie Sie zu Ihrer jetzigen Tätigkeit kamen.


Daran trage ich selber Schuld. Weil mir die Frage, wie ich Briefeschreiber wurde, dermassen häufig gestellt wurde, entschied ich mich eines Tages dazu, jedem Fragenden eine andere Version aufzutischen. Es war als eine Art Experiment gedacht. Ich wollte überprüfen, wie viel Widerspruch eine Gesellschaft erträgt. Das war wohl ein Fehler gewesen, denn mittlerweile weiss ich selber nicht mehr genau, welche Erzählung der Wahrheit entspricht. Ich bin Opfer meines eigenen Experimentes geworden.

Schildern Sie uns doch die älteste der Versionen, an die Sie sich erinnern.


Eines Abends sass ich im Zug, als sich eine schwer übergewichtige Person ausgerechnet auf den Platz neben mich setzte, wobei ein Teil ihres Gesässes mir meinen Sitzplatz strittig machte. Zu allem Übel schlief diese Person nach wenigen Minuten Fahrt ein und begrub mich letztlich fast vollends unter sich. Darauf hin verfasste ich einen grimmigen Brief an die Bahnbetriebe und fragte sie, ob es eigentlich erlaubt sei, in ihren Personenwagen bewusstlose Nilpferde zu transportieren. Das ist die erste Korrespondenz, an die ich mich erinnere.

Die Version, die mir erzählt wurde, geht viel weiter, nämlich in den März des Jahres 1974 zurück…


Auch eine nette Geschichte. Ich war damals ein Jüngling und ritt mein Pony Cinderella aus, als dieses beim Hupf über eine Meerträubelistaube stolperte. Ich wurde aus dem Sattel geschleudert und zerbeulte mir gehörig den Grind. In diesem Augenblick erfuhr ich eine Art Erleuchtung. Tausende Fragen wirbelten plötzlich in meiner Schädelhöhle hoch, wie die Diasporen eines Löwenzahn. Seit diesem schicksalshaften Moment bin ich damit beschäftigt, diese Fragen abzuarbeiten. Die Briefeschreiberei ist im Endeffekt die Folge eines Unfalls. Und es ist eine Therapie.

Ihren ersten Briefband, der 2011 unter dem Namen «Von bewusstlosen Nilpferden & Titan-Badeanzügen» bei Schlafwandler.ch erschien, verkaufte sich insgesamt rund 1’600 mal. Vier Jahre später erscheint nun Ihr zweites Buch. Was darf der Leser erwarten?


Der zweite Briefband umfasst die besten Briefe aus fünf Jahren Korrespondenz. . Der Leser darf humorvolle, authentische und tamminomau absurde Briefwechsel mit einer Vielzahl an Institutionen, Behörden, Politiker und Experten erwarten. Darüber hinaus hat das Ganze nun grüselig viel Tiefgang.

… und das Buch sieht optisch besser aus. Es erscheint aussen in einem goldenem Umschlag, innen dominiert die zwar gewöhnungsbedürftige, aber durchaus hübsche Farbkombination Rosa und Braun.


Leuchtrosa und Gagubraun, genau genommen. Dazu muss man folgendes wissen: Das neue Buch wurde in Zusammenarbeit mit dem hochbegabten Grafiker und Illustrator Jerzovskaja aus Zürich produziert. Er hat nicht nur wunderbare Abbildungen angefertigt und eine gezeichnete Günter Struchen-Figur kreiert, sondern auch die Produktion gemanagt. Wenn Sie das Buch in die Hand nehmen und darin blättern, werden Sie prompt feststellen, dass da ein Profi am Werk war. Die Materialien sind hochkarätig, die Gestaltung harmonisch, der Siebdruck auf dem Cover vom Feinsten, das Papier wohlduftend… Da stimmt alles, bis aufs Detail. Jerzovskaja pflegt amigs zu sagen, es sei die hochwertigste Scheisshauslektüre, die der Planet seit der Geburt Roger Köppels zu Gesicht bekommen habe.

Auch dieses Buch wird von Schlafwandler.ch, Ihrer eigenen Agentur verlegt. Man munkelt, Schlafwandler habe noch nie schwarze Zahlen geschrieben…


Und damit munkelt man völlig richtig. Schlafwandler.ch ist ein Verlag, der nicht nach den Regeln der Marktwirtschaft tanzen muss. Er ist sozusagen jene Opernsängerin, die vor versammelter personifizierter Dekadenz das Röckli lüpft und statt zu singen auf die Bühne scheisst. Täte Schlafwandler.ch einmal Gewinn erzielen, würden wir uns umgehend ordentlich hintersinnen und teurere Bücher produzieren. Oder eine neue Kafimaschine anschaffen. Oder eine Märklineisenbahn. Für die Leser ist es auf alle Fälle von Vorteil, dass solche Agenturen existieren, denn das Preis-Leistungs-Verhältnis ist uns hochkantig egal. Wir wollen einfach nur sauglatte Bücher unter die Menschen bringen.

Sie haben eigens für Ihre Bücher das Genre der «Toiletten-Begleitlektüre» erfunden. Werten Sie Ihre Produkte mit dieser Bezeichnung nicht ab?


Iwo! Nur, weil in Toiletten unter anderem auch gegaglet wird, heisst das noch lange nicht, dass alles, was diesen Begriff beinhaltet, automatisch auch mit Fäkalbakterien kontaminiert ist. Das charakteristische Merkmal von Büchern dieses Typs ist, dass sich ihr Inhalt häppchenweise verdauen lässt, wobei jeder Happen im Durchschnitt nicht mehr Zeit beansprucht als ein mittelmässiger Stuhlgang. Daher der Name. Ob das Buch aber auch tatsächlich neben der Toilette deponiert wird oder nicht, ist letztlich belanglos. Auch die Nichtlustig-Bücher oder die Mickey Mouse-Taschenbücher zähle ich übrigens zu diesem Genre.

Neu ist in Ihrem Buch, dass Sie die Briefe strukturiert und in fünf Kapitel eingeordnet haben.


Diese fünf Kapitel entsprechen den fünf Fragen, die der Philosoph Immanuel Kant seinerzeit formulierte und die – seines Erachtens – das ganze Spektrum philosophischer Tätigkeit abdecken. Wer bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Und: weshalb zum Henker liegt da ein blaues Chesseli mitten im Wald?

Dass die letzte Frage auch von Immanuel Kant stammen soll, kaufe ich Ihnen nicht ab.


Die Wege des Herrn sind unergründlich.

Diese Antwort ergibt in diesem Zusammenhang nicht im entferntesten einen Sinn.


Vermutlich haben Sie recht. Aber es musste mal gesagt sein.

Wie könnten wir dieses Gespräch am besten ausklingen lassen?


Hmm… Sie könnten mir ein Käfeli bezahlen.

Eines mit Milchschaum und einem Güetzeli dazu?


Hau ja, das wäre schön.

Sind Sie nun, da das Interview zu Ende ist, ein bisschen näher an der Leiche, oder noch weiter weg davon?


Wenn ich jetzt noch mein Käfeli kriege, wird mir die Lebenskraft wohl bald aus den Nasenlöchern tröpfelen.